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Ich – die Egoistin



Früher hatte ich an meinem Geburtstag ganz bestimmte Erwartungen. Eigentlich ein ganzes Drehbuch im Kopf: Wer anruft. Wer was schenkt. Wie der Kuchen schmeckt. Wer welche Überraschung für mich plant. Spoiler: Ich hab das alles niemandem gesagt. Ich dachte, man weiß sowas. Es ist doch schliesslich mein Geburtstag!

Als Kind hat das gut funktioniert. Die Welt drehte sich an diesem Tag um mich, es gab Luftballons, Schokolade und mindestens ein Geschenk mit Schleife. Aber je älter ich wurde, desto weniger erfüllten sich diese stillen, unausgesprochenen Wünsche. Und desto öfter kam die Enttäuschung.

Ich war traurig und verletzt. Und wenn ich ehrlich bin: auch unfair. Ich machte mein Umfeld verantwortlich für meine schlechte Laune – dabei hatte ich niemandem gesagt, was ich wollte. Ich war gefangen in meiner Erwartungshaltung. Und das war frustrierend. Für mich – und für alle um mich herum.

Heute mache ich das anders. Ich habe verstanden, dass mein Glück in meiner Verantwortung liegt – auch (oder gerade) an meinem Geburtstag. Ich plane. Ich entscheide. Ich sorge dafür, dass es mir gut geht. Und weisst du was? So wird es dann auch genau so, wie ich es mir wünsche.

Ich habe mich entschieden, die Opferrolle zu verlassen. Ich habe aufgehört, zu hoffen, dass jemand anderes meine Bedürfnisse errät. Ich habe die Verantwortung für meine Zufriedenheit zurück zu mir geholt.

Das war ein riesiger Schritt – und einer der wichtigsten meines Lebens. Denn solange ich im Modus „Ich warte, dass jemand mir gibt, was ich brauche“ feststecke, bleibe ich auch abhängig. Machtlos. Und enttäuscht. Wieder und wieder.

Und an meinem Geburtstag dieses Jahr habe ich ganz bewusst entschieden: Ich brauche einen Ego-Tag. Nur für mich. Ohne Rücksicht auf irgendwen.

Ich habe entschieden, wann es losgeht. Wohin es geht. In welchem Tempo. Wann eine Pause gemacht wird – und wann nicht. Einfach so. Aus dem Bauch heraus. Nicht, weil ich trotzig war. Nicht aus Rebellion. Sondern aus echter, klarer Fürsorge für mich selbst.

Ein Tag in den Bergen. Sonne. Frische Luft. Später eine Torte, die ich selbst ausgesucht habe – genau so, wie ich sie liebe. Kein Hoffen, kein Warten, keine heimlichen Enttäuschungen. Nur Freude. Abends sassen wir als Familie spontan zusammen und haben Kuchen gegessen. Kein Druck, keine Erwartungen. Nur Zufriedenheit. Ich war einfach glücklich – weil ich mir selbst gegeben habe, was ich gebraucht habe.

Bin ich also eine Egoistin? Ja – manchmal schon.

Denn ich weiss auch, wie es sich anfühlt, alles zu geben. Ich bin oft die, die einspringt, organisiert, auffängt. Die Verantwortung übernimmt, sich kümmert, mitdenkt. So sehr, dass es manchmal wirkt, als hätte mein inneres Hilfsbereitschafts-Gewürz einen losen Deckel – und plötzlich kippt alles auf einmal ins Leben.

Das ist nicht heldenhaft. Das ist anstrengend. Und manchmal auch frustrierend.

Ich habe oft Menschen beneidet, an denen Aufgaben, Erwartungen und Bitten einfach abzuprallen scheinen – wie Wassertropfen auf einer neuen Regenjacke. Und ja, ich habe mich gefragt: Will ich das auch können? Meine Antwort ist: Nein.

Denn ich liebe Menschen, die da sind. Die Verantwortung übernehmen. Die nicht weglaufen, wenn es anstrengend wird. Die helfen – nicht, weil es jemand verlangt, sondern weil sie es können und wollen. Mit solchen Menschen arbeite ich gern. Lebe ich gern. Bin ich gern.

Aber ich habe gelernt: Ich muss mich wichtig nehmen, darf mir Pausen gönnen. Grenzen setzen. Denn wer nie auf sich selbst achtet, verliert irgendwann die Kraft.

Wie also die Balance finden?

Vielleicht ist es wie auf einer Bergtour. Nicht jeder Tag verlangt denselben Weg, dieselbe Geschwindigkeit oder dieselbe Höhe. Manchmal braucht es einen steilen Anstieg, manchmal einen Umweg. Manchmal eine Pause auf einer Lichtung, mit Blick zurück –und manchmal einfach den Mut, allein weiterzugehen, auch wenn niemand neben einem läuft.

Aber selbst die schönste Solo-Tour würde ich jederzeit unterbrechen, wenn jemand am Wegesrand ruft, der mir wichtig ist. Hätten meine Tochter oder mein Mann gesagt: „Ich brauche dich heute.“ Dann wäre ich geblieben. Weil Selbstfürsorge nicht heisst, andere im Stich zu lassen. Sondern zu spüren, wann es Zeit ist, loszugehen – und wann es wichtiger ist, dazubleiben.

Gesunder Egoismus kennt Grenzen. Und Nähe. Und Verantwortung.

Nicht immer kann man sich selbst an erste Stelle stellen. Aber sicher viel öfter, als man denkt.

An meinem Geburtstag war das möglich. Ich habe entschieden, wo es langgeht, wann ich losgehe, wann ich stehen bleibe. Ich habe mich selbst geführt – ohne schlechtes Gewissen.

An diesem Tag war ich egoistisch. Und es war wundervoll. Es hat meine Batterien aufgeladen, mir gut getan. Ich bin erfüllt, klar und zufrieden nach Hause gekommen.

Und nächstes Jahr? Werde ich wieder einen Ego-Tag brauchen an meinem Geburtstag? Keine Ahnung. Vielleicht ja. Vielleicht ist mir auch nach einem vollen Haus und lautem Lachen. Vielleicht will ich einfach im Bett liegen und lesen, ganz still für mich.

Wir werden sehen. Aber eines ist sicher: Ich werde sehr genau hinhören, was ich gerade brauche. Und das nicht nur an meinem Geburtstag.


In diesem Sinne: Happy Birthday to me.



 
 
 

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