Bin ich schön?
- monikawiesner
- 7. Apr.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Apr.

Dieses Bild von mir habe ich bei eine Spaziergang aufgenommen. Kein Filter. Kaum Make-up. Nur ich. Ganz pur. Und ich stellte mir die Frage: Bin ich schön?
Was ist eigentlich Schönheit? Braucht es dafür Make-up? Tolle Kleidung? Eine perfekte Frisur? Oder hat Schönheit vielleicht gar nichts mit all dem zu tun?
Was hat Schönheit mit meinem Beruf als Make-up Artist zu tun? Ist mir Schönheit so wichtig, dass ich deshalb in dieser Branche arbeite? Oder kann ich es einfach nicht ertragen, wenn jemand nicht gestylt ist? Kann man schön sein, wenn man nicht perfekt ist – und umgekehrt: Kann man perfekt sein, ohne schön zu sein?
Was bringt Schönheit im Leben? Und was ist mit ihrer Vergänglichkeit? Welche anderen Werte zählen? Vielleicht sogar mehr?
Jetzt stelle dir die Frage: Bin ich schön? Und könnte diesen Text damit eigentlich beenden. Denn die Antwort scheint einfach: Ja. Oder Nein.
Ich weiss, dass ich nicht dem Idealbild entspreche. Sogar eher weit davon entfernt bin. Weder mein Gesicht noch meine Haare noch mein Körper entsprechen dem gängigen Schönheitsideal. Also lautet die Antwort bei mir wohl: Nein.
Gibt es aber trotzdem Dinge, die mich schön machen? Oder Eigenschaften, die mich attraktiv machen? Spannend? Liebenswert?
Ich habe dieses Bild an einem meiner Lieblingsorte aufgenommen. An einem Ort, an dem ich mich sehr wohl fühle. An dem ich meistens in meinen ältesten Kleidern, bequem und komplett ungestylt unterwegs bin. Unfrisiert, mit dreckiger Brille. Mitten im Wald, in der Natur.
Was sind denn die Momente, an denen ich mich am meisten bei mir selbst fühle, am wohlsten, am entspanntesten? Da bin ich ungeschminkt im Wald. Gerne auch bei Regen. Mit hochrotem Kopf nach dem Aufstieg auf einen Berg. Zerzauste Haare, aber ein breites Grinsen im Gesicht.
Im Eishockeystadion, mit dem Shirt meiner Mannschaft, das weder von den Farben noch vom Schnitt her vorteilhaft ist für mich. Laut, unkorrekt, mit dem Herzen dabei. Es sind vielleicht nicht meine attraktivsten Momente – aber definitiv die authentischsten.
Ja klar, denken jetzt vielleicht viele: Wenn man halt nicht schön ist, muss man sich das schönreden. Klar sagt das jemand, der nicht ins Idealbild passt. Klingt fast schon so, als wäre schön sein ein Makel. Ist es nicht.
Ich finde schöne Menschen auch attraktiv. Ich bin ja nicht blind. Früher war ich neidisch – heute kaum mehr. Weil ich gelernt habe, dass äusserliche Schönheit zwar toll zum Anschauen ist, aber schnell langweilig wird, wenn nicht noch mehr da ist.
Dass Menschen, die ich gerne mag, in meinen Augen gar nicht unschön sein können, weil ich sie durch die Augen der Zuneigung sehe. Und ja, ich habe durchaus einen Sinn für Schönheit. Nicht nur bei Menschen, auch bei Orten oder Gegenständen. Nur werte ich es nicht mehr so hoch wie früher. Weil Schönheit vergänglich, und das was bleibt, wichtiger ist.
Warum arbeite ich dann als Make-up Artist? Warum habe ich die Ausbildungen als Fashion Stylistin absolviert, wenn doch Schönheit nicht wichtig ist?
Weil es mir darum geht, wie sich jemand fühlt. Ich mag es, mich für besondere Anlässe zurecht zu machen. Mir etwas Schönes zum Anziehen auszusuchen, den passenden Schmuck anzulegen, mein Make-up aufzutragen. Weil ich mich dann gut fühle. Weil ich es mir wert bin. Und ich mag es Menschen dabei zu unterstützen, sich genauso zu fühlen. Weil sie es sich wert sind.
Ich mag es aber auch, diese Kleider nach einer Weile wieder auszuziehen, mich abzuschminken. Weil ich weiß, dass das immer ich bin. Mit viel Make-up, mit keinem Make-up, mit schönen Kleidern, im Pyjama. Das, was mich ausmacht als Mensch, liegt tiefer.
Mein Auftreten hat eine große Wirkung, dessen bin ich mir unterdessen auch bewusst. Das kann man durchaus für sich nutzen. Und es sagt viel aus. Ich kann damit Wirkungen erzielen. Ein erster Eindruck entsteht sehr schnell – und nicht immer hat man die Zeit, diesen zu korrigieren.
Und bevor jemand denkt, ich wolle schöne Menschen „bashen“ – nein, ganz im Gegenteil.
Ich kann heute meistens neidlos anerkennen, wenn jemand schön ist. Ich sehe das. Und ich freue mich darüber. Ich finde schöne Menschen toll. Menschen, die sich zurechtmachen, die sich Mühe geben mit ihrem Aussehen, die das mit Stil, Ausdruck oder einfach Freude tun – das anerkenne ich. Und zwar ehrlich und ohne Groll.
Aber: Schönheit macht noch keinen Charakter. Und das ist wichtig. Denn es ist eine Falle, in die wir alle leicht tappen – schöne Menschen mit guten Eigenschaften oder großen Fähigkeiten gleichzusetzen. Das ist nicht nur unfair gegenüber allen anderen, sondern auch unfair ihnen gegenüber.
Ja, ich glaube, manchmal ist es leichter, als schöner Mensch durchs Leben zu gehen. Menschen hören dir eher zu, trauen dir mehr zu, öffnen dir Türen. Aber weißt du was? Manchmal ist es auch einfacher, als nicht schöner Mensch – oder sagen wir: als ganz durchschnittlicher Mensch – unterwegs zu sein. Manchmal fliegt man ein wenig unter dem Radar. Und hat dann die wunderbare Gelegenheit, Menschen zu überraschen.
Ich persönlich mag einfach tolle Menschen am liebsten – unabhängig davon, wie sie aussehen. Menschen, die echt sind, lebendig, inspirierend. Menschen, die mich begeistern – sie können in meinen Augen gar nicht unattraktiv sein.
Aber Menschen, die dem Idealbild entsprechen, können es sehr wohl sein – und langweilig, wenn sie sonst nichts zu bieten haben.
Ich anerkenne Menschen, die sich für ihr Aussehen ins Zeug legen. Ich finde es nicht schlecht, sich über sein Äusseres Gedanken zu machen. Ich sehe aber auch den Druck, den das auslösen kann. Ich habe eine Tochter im Teenageralter und kann das gut beobachten. Es macht mich oft traurig und auch hilflos mit anzusehen, welch grosser Stellenwert das Äussere für sie und ihre Freundinnen hat.
Denn ich weiß, dass sie noch weit davon entfernt ist, sich selber anzunehmen, so wie sie ist. Dafür fehlt ihr einfach die Lebenserfahrung. Deswegen ist es ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt. Ich habe selber lange gebraucht, um so selbstsicher und mit mir im Reinen zu sein, wie ich es heute bin. Ich habe zum Teil auch darunter gelitten nicht dem Schönheitsideal zu entsprechen.
Auch heute mache ich nicht jeden Morgen einen Freudesprung, wenn ich mich im Spiegel sehe. Und es ist mir auch nicht egal, wie ich aussehe. Das wäre ja nicht normal.
Ich bin aber sehr froh, dass es viele Momente in meinem Leben gibt, in denen es wirklich keine Rolle spielt, wie ich gerade aussehe. Ich finde, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Äusseren sollte in einem gesunden Rahmen stattfinden – und ich bin froh zu sagen, dass ich das heute mehrheitlich kann.
Ich bin mit mir im Reinen. Aufgrund vieler Erfahrungen, Erlebnissen, Lebensjahren, Enttäuschungen, Freunden, Begegnungen, Wissen – bin ich das, was ich heute bin.
Ich denke, dies ist ein Privileg des Älterwerdens.
Ich bin im Reinen mit mir – was nicht bedeutet, dass ich mich immer super finde. Ich weiss aber sehr genau, wer ich bin. Und auch, wer ich nicht bin. Und das bedeutet für mich Lebensqualität.
Das schaue ich auch mit meinen Klientinnen in den Coachings an. Es geht zu Beginn oft darum: Wer bin ich? Was will ich? Was will ich nicht? Wo liegen meine Prioritäten? Was ist mir wichtig? Was sind meine Werte?
Das ist eine tolle Reise. Oft anstrengend, manchmal auch schmerzhaft. Aber es ist eine Reise, die sich lohnt.
Lasst uns das Leben in all seinen Facetten geniessen – mit all unseren Schönheiten und Makeln. Denn wahre Schönheit liegt nicht nur im Äusseren, sondern vor allem in der Art, wie wir uns selbst und einander schätzen.
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